Ausgabe 2/2018, April

WIdO-Themen

Krankenhaus-Report 2018: Die Versorgung qualitätsorientiert gestalten

Der Krankenhaus-Report 2018 beschäftigt sich in seinem Schwerpunkt mit der Frage, wie sich eine in quantitativer und qualitativer Hinsicht bedarfsgerechte Krankenhausversorgung gewährleisten lässt.

Medizinische Leistungen in Krankenhäusern sollten sich am Bedarf der Patienten orientieren, und zwar mit Blick auf die vorgehaltenen Kapazitäten, den erforderlichen Leistungsmix und eine hohe Qualität des Leistungsangebotes. Insgesamt bewegt sich die stationäre Versorgung in Deutschland auf einem hohen Niveau.

Obwohl es vergleichsweise zahlreiche niedergelassene Fachärzte gibt, verfügt Deutschland gegenüber dem Durchschnitt von 15 EU-Staaten über 65 Prozent mehr akutstationäre Krankenhausbetten und weist 50 Prozent mehr vollstationäre Behandlungsfälle auf. Noch immer werden in der Bundesrepublik zu viele Patienten stationär versorgt, bei denen eine ambulante Behandlung möglich und vorteilhaft wäre. Zudem ist die deutsche Krankenhauslandschaft nach wie vor durch viele kleine und mittlere Einrichtungen geprägt: Fast zwei Drittel der allgemeinen Krankenhäuser haben weniger als 300 Betten und bieten gleichzeitig ein zu breites Behandlungsspektrum an. Dabei belegen zahlreiche Studien deutliche Qualitätsunterschiede zwischen einzelnen Krankenhäusern und weisen für viele Leistungen einen positiven Zusammenhang zwischen der Häufigkeit eines Eingriffs und der Qualität nach.

Das hat zur Folge, dass Gelder unwirtschaftlich verwendet werden und ohnehin knappes Personal ineffizient an zu vielen konkurrierenden Standorten eingesetzt wird. Vor allem aber entstehen dadurch Qualitätsdefizite bei der Behandlung. Aus diesen Erkenntnissen wurden bislang noch zu wenige Schlüsse gezogen. Nötig wäre eine stärkere Konzentration insbesondere von komplexen Behandlungsfällen auf spezialisierte Standorte.

Das Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) rückt Aspekte der qualitätsorientierten Versorgung in den Vordergrund, sei es über Mindestmengenregelungen oder Vorgaben für vorzuhaltende Strukturen. Die Länder stehen im Rahmen der Krankenhausplanung in besonderer Verantwortung, die stationäre Versorgung zukunftssicher, bedarfsgerecht und eben auch qualitätsorientiert zu gestalten. Sie können in dieser Rolle bei der Umsetzung über bundesweite Qualitätsvorgaben hinausgehen. Dadurch ist es ihnen möglich, wenn auch in unterschiedlichen regionalen Ausgangslagen, den KHSG-Auftrag einer besseren Versorgungsqualität über eine indikationsbezogene Zentralisierung voranzutreiben.

Jörg Friedrich, Leiter des Forschungsbereichs Krankenhaus im Wissenschaftlichen Institut der AOK

„Unterschiede bei der Ergebnisqualität der Krankenhäuser, abhängig von Fallzahl und Strukturen, sind wissenschaftlich breit belegt. Die Krankenhausplanung der Länder muss diese Erkenntnisse jetzt umsetzen.“

Jörg Friedrich, Leiter des Forschungsbereichs Krankenhaus im Wissenschaftlichen Institut der AOK

Arzneimittelpreise: Neue Präparate puschen die Ausgaben

Die Preise für neue Arzneimittel haben sich innerhalb weniger Jahre nahezu verfünffacht.     

Um 4,8 Prozent sind die Ausgaben für Arzneimittel und Impfstoffe 2017 im Vergleich zum  Vorjahr gestiegen. Der wesentliche Anteil an dieser Steigerung entfällt dem GKV-Arzneimittelindex im Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) zufolge auf neue patentgeschützte Arzneimittel. Lag der Preis für ein solches Präparat in den Jahren vor 2011 im Durchschnitt bei 978 Euro, waren es 2017 bereits 4.458 Euro. Das entspricht knapp dem Fünffachen.

Auch in den ersten Monaten des Jahres 2018 setzt sich die Steigerung fort. Zwar verordnen Ärzte neue Präparate oft zurückhaltend, dennoch bestimmen deren Preise die zukünftigen Ausgaben. So besteht der patentgeschützte Arzneimittelmarkt schon heute zu etwa 44 Prozent aus Produkten, die nach 2011 auf den Markt kamen und dem  Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) unterliegen.

Fehlzeiten: Fernpendeln belastet die Psyche

Wie sich ein weiter Arbeitsweg auf die Gesundheit auswirkt, hat eine Fehlzeitenanalyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) untersucht.

Etwa 10,6 Prozent der 13,2 Millionen erwerbstätigen AOK-Mitglieder wohnen über 50 Kilometer von ihrem Arbeitsort entfernt und sind damit Fernpendler. Mit der Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort steigt die Wahrscheinlichkeit für eine psychische Erkrankung. Unter AOK-versicherten Beschäftigten, die bis zu zehn Kilometer zurücklegen müssen, kam es 2017 zu durchschnittlich elf Arbeitsunfähigkeitsfällen je 100 Mitglieder durch psychische Erkrankungen. Bei einem Arbeitsweg von mindestens 50 Kilometern sind es bereits zwölf und bei über 500 Kilometern 12,6 Fälle. Auch die durchschnittlichen Fehlzeiten durch psychische Erkrankungen steigen dabei von 2,9 auf 3,4 Fehltage pro Mitglied. Psychische Erkrankungen nahmen in den letzten zehn Jahren um 67,5 Prozent zu. Zwar sind die Gründe dafür nicht endgültig geklärt, doch die Analyse der Arbeitsunfähigkeiten von Fernpendlern zeigt, dass ein kürzerer Arbeitsweg psychische Belastungen reduzieren kann.

Mit 5,3 Prozent ist der Krankenstand im Jahr 2017 konstant geblieben. Ein AOK-versicherter Beschäftigter fehlte dabei im Durchschnitt 19,4 Tage mit einer ärztlichen  Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

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Analysen – Schwerpunkt: Gesundheitskompetenz

1. Förderung der Gesundheitskompetenz – eine Aufgabe der Pflege

Kai Kolpatzik, AOK-Bundesverband, Berlin, Doris Schaeffer, Universität Bielefeld, und Dominique Vogt, Hertie School of Governance, Berlin

Die Gesundheitskompetenz der Patienten wird international zunehmend erforscht. Verschiedene Studien haben dabei Defizite aufgedeckt – auch und gerade bei chronisch Kranken und Pflegebedürftigen. In Deutschland ist die Forschung zur Gesundheitskompetenz ebenfalls angelaufen, allerdings gibt es noch sehr wenige Erkenntnisse zum Thema Pflege. In der Pflegeausbildung ist Gesundheitskompetenz noch kein Thema, und auch die Angehörigen stehen bislang zu selten im Fokus. Der Nationale Aktionsplan zur Förderung der Gesundheitskompetenz mit seinen Handlungsempfehlungen, die Allianz für Gesundheitskompetenz und die Einrichtung einer Koordinierungsstelle, gefördert durch den AOK-Bundesverband, lassen jedoch erwarten, dass mehr Forschung initiiert wird, deren Ergebnisse helfen, das Selbst- und Fremdmanagement von Pflegebedürftigkeit spürbar zu verbessern.

2. Was Gesundheitspädagogik zur Gesundheitskompetenz beitragen kann

Manfred Cassens und Robert Dengler, FOM Hochschule, München

Gesundheitspädagogik erfasst die Teilbereiche Bildung und Erziehung. Während sich Gesundheitserziehung in den Settings der Kindheit und Jugend mittlerweile relativ gut etablieren konnte, zeigt sich bei ärztlichen beziehungsweise medizinischen Interventionen, dass didaktische Elemente allenfalls im Rahmen von shared decision making etabliert, aber von umfassend pädagogischen Konzeptionen weitgehend entfernt sind. Dies wäre mit Hinblick auf eine symmetrische und autonome Entscheidungsfindung jedoch dringend indiziert.

3. Gsundheitskompetenz als Kommunikationsherausforderung

Eva Baumann, Hochschule für Musik, Theater und Medien, Hannover

Wenn es um die Übernahme einer aktiven Patientenrolle sowie um informierte und partizipative Entscheidungen in gesundheitsrelevanten Fragen geht, ist Gesundheitskompetenz gefragt. Im Mittelpunkt steht das Gesundheitswissen und die Fähigkeit der Menschen, sich die für sie relevanten Informationen zu beschaffen, sie sich zu eigen zu machen und anzuwenden. Neben dem medizinischen Fachpersonal stellen Informationen aus traditionellen Massenmedien und insbesondere aus dem Internet wichtige Informationsquellen in Gesundheitsfragen dar. Befragungsdaten für Deutschland verweisen jedoch darauf, dass die Menschen besonders große Schwierigkeiten haben, mit Gesundheitsinformationen aus den Medien umzugehen. Der Beitrag fokussiert daher auf die Rolle der Medien im Kontext der Förderung von Gesundheitskompetenz. Adressiert werden die Anforderungen nicht nur an qualitativ hochwertige Inhalte, sondern auch an die zielgruppengerechte Vermittlung medialer Informationen. Der Beitrag skizziert zudem die Herausforderungen, vor denen Kommunikatoren des Gesundheitswesens ebenso stehen wie Journalisten.